Arbeitertheater

Arbeitertheater
Arbeitertheater,
 
eigenständige Theaterform, aus der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts hervorgegangen. Das frühe deutsche Arbeitertheater diente vorwiegend der Agitation, aber auch der geselligen Unterhaltung in Arbeitervereinen sowie der Aufklärung über politische und gesellschaftstheoretische Positionen der Arbeiterbewegung. Erste Stücke von J. B. von Schweitzer (»Ein Schlingel«, 1867; »Eine Gans«, 1869), zunächst als Dialoge anstelle des Leitartikels im »Social-Demokrat« veröffentlicht, wurden dann vom Autor für die Bühne bearbeitet; in ihnen wird versucht, Grundpositionen der Marxschen Theorie sowie Forderungen der Arbeiterbewegung in leicht verständlicher Weise zu verdeutlichen. Ähnlich angelegte Stücke stammen von M. Kegel, A. Scherzer, A. Kapell, A. Otto-Walster, H. Goldstein u. a. Während des Sozialistengesetzes musste das Arbeitertheater die offene Agitation aufgeben (statt dessen Verlagerung des Geschehens in historisch frühere Zeiten, Allegorisierung).
 
Nach 1918 bildeten sich neben den traditionellen Formen des Arbeiterlaienspiels neue Formen wie Arbeitersprech- und -bewegungschor, Massenspiele heraus. Diese waren zunächst stark sozialdemokratisch beeinflusst. Sprechchöre schufen E. Toller, K. Böger, E. Grisar, M. Barthel und besonders B. Schönlank. 1922 wurde der zentrale Sprechchor der KPD gegründet; Leitung ab 1923 G. von Wangenheim. Massenspiele gab es z. B. 1920-24 in Leipzig: »Spartakus« (1920), »Der arme Konrad« (1921), »Bilder aus der Französischen Revolution« (1922), »Krieg und Frieden« (1923), »Erwachen« (1924). Das proletarisch-revolutionäre Berufstheater der Zeit bis 1923 war angeregt durch den sowjetrussischen Proletkult: Stücke von E. Toller, K. A. Wittfogel, F. Jung, E. Mühsam. Die gleichen Wurzeln hatte die proletarisch-revolutionäre Theaterkonzeption E. Piscators. Ab 1924/25 kam es zur Entwicklung des proletarischen Agitproptheaters (Grundtypen: politisch-satirische Revuen und historische Bilderbogen); Agitproptruppen waren u. a. »Rotes Sprachrohr«, »Die Roten Raketen«, »Die Nieter«. Mit den Stücken B. Brechts und F. Wolfs entstand ein neuer Typus des proletarisch-revolutionären Theaters. - Versuche mit einem spezifischen Arbeitertheater wurden erst wieder nach 1945 unternommen. Die 1947 in Recklinghausen gegründeten Ruhrfestspiele tendierten v. a. in den Anfangsjahren zu Festspielen der Arbeiter. In der DDR entstanden nach 1959 (u. a. »Bitterfelder Weg«) zahlreiche staatlich geförderte und von den Gewerkschaften (FDGB) getragene Arbeiter-Laientheater. Arbeitertheatergruppen nahmen an den 1959-72 jährlich, ab 1974 alle zwei Jahre stattfindenden Arbeiterfestspielen teil.
 
1890 entstand mit der Freien Volksbühne eine Arbeitertheaterorganisation (vorwiegend) als Besucherorganisation.
 
 
L. Hoffmann u. D. Hoffmann-Ostwald: Dt. A. 1918-1933 (Berlin-Ost 1961);
 F. Knilli u. U. Münchow: Frühes dt. A. 1847-1918 (Berlin 1970);
 P. von Rüden: Sozialdemokrat. A. 1848-1914 (1973);
 R. Weber: Proletar. Theater u. revolutionäre Arbeiterbewegung 1918-25 (21978);
 D. Trempenau: Frühe sozialdemokrat. u. sozialist. Arbeiterdramatik, 1890-1914 (1979).

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Ạr|bei|ter|the|a|ter, das: aus sozialdemokratischer Bildungsarbeit hervorgegangenes Amateurtheater, das bes. der Agitation, aber auch der Unterhaltung dient.

Universal-Lexikon. 2012.

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